Treffen in London: Cenk Tosun, Ilkay Gündoğan, Mesut Özil und Recep Erdoğan (v.u.n.o) (Abbildung ähnlich) |
London – Für große Aufregung sorgt aktuell ein Foto, auf dem
sich die deutschen Fußballnationalspieler Mesut Özil (Arsenal London) und Ilkay
Gündoğan (Manchester City) sowie der ebenso deutsch-türkische Fußballer Cenk
Tosun (FC Everton) mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan
ablichten ließen. Im Rahmen seiner London-Reise traf Erdoğan die Fußballer und
erhielt von ihnen Trikots mit würdigenden Widmungen. Aufgrund Erdogans Politik
sind in Deutschland nicht alle damit einverstanden, dass sich deutsche
Nationalspieler sich so vor den politischen Karren spannen lassen. Insbesondere
die CSU und die AfD ließen es sich nicht nehmen, dieses Ereignis deshalb vor
ihren Karren spannen zu lassen. Warum eigentlich? Der Anzeiger interviewte Vertreter
beider Parteien.
Zum Gespräch fanden sich der bayrische Unterinnensekretär
Ludwig Schellengruber (59, CSU), Hans-Jörg Ramsperger (41), sportpolitischer
Sprecher der AfD Nüsselsheim, und für den AnzeigerdurchdieGalaxis der
AnhalterdurchdieGalaxis ein.
AnzeigerdurchdieGalaxis (AdG): Guten Abend, meine Herren.
Hans-Jörg Ramsperger (HR): Das ist anmaßend von Ihnen, mit
Ihrem Hintergrund in unserem Land einen guten Abend zu wünschen. Dass dieser
Abend gut ist, das haben sich Generationen von Deutschen hart erarbeitet, das
haben Sie gar nicht zu wünschen.
So reagierte die AfD auf das Treffen von Özil, Gündo- und Erdoğan |
Ludwig Schellengruber (LS): Ich bin ja immerhin beruhigt,
dass es ein guter Abend ist, sind wir doch immer noch im christlichen Abendland.
Ganz so schlecht ist hier ja alles auch nicht. Insofern finde ich einen „Guten
Abend“ schon in Ordnung.
So reagierte die CSU auf das Treffen von Özil, Gündo- und Erdoğan |
AdG: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview
genommen haben. Ihre Parteien haben das gemeinsame Foto von Özil und Gündoğan
mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan besonders hart kritisiert. Was stört Sie
daran?
LS: Nun, erstmal möchte ich sagen, dass aus meiner Sicht
Fußball und Politik voneinander getrennt bleiben sollten. Fußball begeistert
viele insbesondere junge Menschen und sollte deshalb nicht für politische
Zwecke missbraucht werden. Das habe ich erst neulich mit Markus Söder (Bayrischer Alleinherrscher, Anm. D. Red.) besprochen, als wir im Stadion des FC Bayern zu Gast waren.
AdG: Herr Ramsperger…
HR: Nennen Sie mich einfach HJ.
AdG: Auf gar keinen Fall. Herr Ramsperger, was stört Sie an
Erdoğan?
HR: Nun, wo soll man da anfangen? Es macht einfach Sorgen,
wenn ein Politiker einfach nur Nationalismus schürt, um seine Macht zu
untermauern. Die Türken hatten schon immer viel Nationalstolz – dagegen ist ja
auch gar nichts einzuwenden. Aber was da momentan los ist, das ist einfach zu
viel. Denn solche Gefühle können sehr schnell auch missbraucht werden.
Überzogener Nationalismus führt auch dazu, dass man sich anderen Nationen
gegenüber überlegen fühlt, dass man keine Rücksicht mehr nimmt und vor allem,
dass man sich auch Minderheiten im eigenen Land gegenüber radikalisiert. Das
darf eine wehrhafte Demokratie nicht zulassen.
LS: Minderheiten ist ein guter Punkt. Ich sehe da in der
Türkei vor allem das Problem, wenn es um Religion geht. Dazu muss man sagen,
dass die Türkei bis vor ein paar Jahren noch auf dem sehr erfreulichen Weg zu
einem wirklich säkularen Land war. Die Trennung von Religion und Staat wurde
sehr ernst genommen. Leider dreht Herr Erdoğan das Rad inzwischen wieder zurück
und nutzt vielfach religiöse Symbole und Gefühle für seine Zwecke.
HR: Absolut widerlich!
LS: Ja, in der Tat. Dazu kommt noch die Nebenwirkung, dass „Andersgläubige“
wieder bewusst ausgegrenzt werden. Religionsfreiheit existiert auf dem Papier,
trotzdem wird sehr deutlich gemacht, welche Religion zur Türkei gehört undwelche nicht.
AdG: Sie fürchten also um die Religionsfreiheit in der
Türkei? Sehen Sie auch noch andere Grundrechte bedroht?
HR: Natürlich die Pressefreiheit. Die ständigen Attacken von
Erdoğan gegen kritische Journalisten sind einfach nicht mehr zumutbar. Wer
nicht das berichtet, was Erdoğan will, wird von Pressekonferenzen ausgeschlossen, bedroht oder schlimmeres. Zudem tut er einfach alles, was ihm
nicht passt, als Lüge ab. So kann man in einem demokratischen Land nicht mit
der Presse umgehen. Man muss auch aushalten, wenn kritisch über einen berichtet
wird, oder vermeintlich Falsches mit Fakten widerlegen und nicht einfach als Lüge abtun.
LS: Man muss hier natürlich auch kritisch anmerken, dass die Befugnisse der Polizei unter Erdoğan deutlich ausgeweitet wurden. Da können nun
unliebsame Leute auch mal ebenso ohne Gerichtsverfahren, ohne Anwalt und ohne
konkrete Straftat weggesperrt werden. Das ganze nahezu unbegrenzt. Das ist
nicht mehr an der Grenze zum Polizeistaat, das ist schon längst einer. Zum
Wohle des Volkes ist das nicht.
AdG: Man muss natürlich anmerken, dass er in der Türkei eine
große Mehrheit hinter sich hat.
LS: Ach ich bitte Sie! Mehrheit. Wenn eine Partei über so
lange Zeit ständig solche Mehrheiten, sogar absolute Mehrheiten bekommt, dann
stimmt da irgendwas nicht. Entweder, es liegt Betrug vor, oder aber, die Leute
sind irgendwie ideologisch verblendet. In einem pluralistischen Land tun solche
Wahlergebnisse zumindest auf Dauer nicht gut. Es gibt auf der anderen Seite ja
auch viele Demonstrationen gegen ihn, aber egal, wie viele da kommen, das nimmt er gar nicht ernst. Auch das ist äußerst undemokratisch!
HR: Was noch gar nicht zur Sprache kam, das ist auch die
Außenpolitik. Insbesondere im Syrien-Konflikt hat Herr Erdoğan Partei ergriffen
für den nachweißlich völkermordenden Präsidenten Assad. Allein, dass er sich mit diesem Mann trifft, zeigt doch, wessen Geistes Kind er ist. Auch wenn man
erwarten kann, dass seine Unterstützung für Assad nur Eigeninteressen dient.
Aber das macht es ja nicht besser.
LS: Ja, da gehört aber Wladimir Putin auch dazu. Das ist ja
eine Dreierallianz. Auch Putin ist ja mit diplomatischer Vorsicht zu genießen.
Oder der ungarische Hardliner Orban… ich weiß nicht, wer zu all diesen
Politikern derart enge Bündnisse beschäftigt, der sollte seine eigene
demokratische Einstellung mal schwer hinterfragen.
AdG: Immerhin hat Erdoğan viele syrische Kriegsflüchtlinge
aufgenommen.
HR: Ja, immerhin das ist ihm hoch anzurechnen. Auf der
anderen Seite ist er knallhart gegenüber Kurden. Denen gibt er ja generell die
Schuld an allem und wirft ihnen pauschal Terrorismus oder zumindest Unterstützung
dessen vor. Selbst, wenn ein Anschlag ganz offensichtlich nicht von den Kurden
kommt, so schafft er es, irgendwie einen Bezug zu ihnen herzustellen und sie als Sündenböcke heran zu ziehen. Auch sehr fraglich ist dabei der Umgang mit der eigenen Geschichte. Jedes größere Land der Welt hat seine dunklen Kapitel der Vergangenheit. Ändern kann man das nicht mehr. Jedoch, wie Herr Erdoğan es tut, einfach zu leugnen und abzustreiten, dass man in der Vergangenheit Massaker verursacht hat, das ist nicht der richtige Weg. Um Fehler nicht zu wiederholen, muss man sich ihrer erinnern.
AdG: Nun gut, fassen wir zusammen: Erdoğan…
LS: …ist ein Despot, der wenngleich demokratisch gewählt
seine absolute Mehrheit schamlos ausnutzt, der religiöse Symbole zur Durchsetzung
seiner Politik instrumentalisiert, der religiöse Minderheiten aktiv ausgrenzt, der
Demonstrationen gegen sich ignoriert…
HR: … der nationalistische Gefühle weckt und benutzt, der
sich mit ausländischen Despoten gut stellt, der eine Minderheit im eigenen Land
pauschal als Sündenböcke und Terroristen hinstellt und die Presse ständig als
Lügner diffamiert.
LS und HR: So einer hat in einer demokratischen
Wertegemeinschaft nichts verloren!
Das Interview führte: adg
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen