Mindestens erwartbar: diebische Freude |
Nürnberg – Merkwürdig, verdächtig, beunruhigend: Das
Verhalten von Karim Balash (27) versetzt aufmerksame Beobachter in Unruhe. Der
Syrer gehört zu den Flüchtlingen, die in diesem Jahr nach Deutschland gekommen
sind. Doch als er von dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt
gehört hat, zeigte der Mann aus Homs keinerlei Anzeichen von Freude oder Jubel
über den gelungenen Schlag gegen die westliche Art zu leben. „Ich hatte
erwartet, dass er gleich aufspringt und laute ,Walla, walla,
walla‘-Schlachtrufe von sich gibt, oder zumindest fröhlich summend durch die
Sporthalle tanzt“, wundert sich Kevin Maltritz, der als Security in Balash’s
Flüchtlingsunterkunft arbeitet. „Ich habe ganz genau darauf geachtet, ob er
seine Freude vielleicht krampfhaft unterdrückt. Aber es schien ganz so, als
mache ihn der Anschlag betroffen, sogar traurig… fast so wie uns.“
Ist es denkbar, dass nach noch nicht einmal einem Jahr in
Deutschland ein Flüchtling so viel Mitgefühl mit Deutschen entwickelt hat, die
er gar nicht kennt, dass er über den Anschlag echte Trauer entwickelt?
Terrorexperte Dr. Harald Lobinger möchte diese Option zumindest nicht
ausschließen: „Noch wissen wir zu wenig über das Innenleben von Flüchtlingen,
wie sie denken, wie sie fühlen. Es wäre jedoch nicht auszuschließen, dass sie
auch nach kurzer Zeit eine Art Sympathie für die Deutschen aufbauen, obwohl sie
nicht zu ihnen gehören – ganz ähnlich dem Stockholm-Syndrom, bei dem
Entführungsopfer eine ungewöhnliche Bindung mit ihren Entführern eingehen.“
Dies sei jedoch reine Spekulation, ebenso sei es denkbar, dass Karim Balash
deswegen traurig sei, weil er gerne den Anschlag durchgeführt hätte. Ebenso sei
nicht auszuschließen, dass er aufgrund der Sprachbarriere gar nicht verstanden
hat, was ihm berichtet wurde.
Manche Menschen neigen dazu, Balash’s Trauer ernst zu
nehmen. Doch dürfe man sich laut Dr. Lobinger nicht dazu hinreißen lassen,
Flüchtlinge nicht zu sehr zu vermenschlichen: „Ihre Reaktionen, ihre Mimik, ihr
Verhalten, das mag manchmal so aussehen, wie bei uns Deutschen. Aber wir dürfen
nicht vergessen, dass sie aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen. Da darf
man nicht zu viel reininterpretieren.“
Balash ist kein Einzelfall. Immer häufiger berichten
Menschen davon, dass Flüchtlinge bei Berichten über Terroranschläge traurig
reagiert und zum Teil zu weinen begonnen haben sollen. Einzelne haben sogar
explizit Trauer und Unverständnis geäußert und die Anschläge verurteilt. Noch
sind die Ursachen für diese unerwarteten Verhaltensweisen ungeklärt. Bis mehr
darüber bekannt ist, sollte man jedoch vorsichtig damit sein, aus diesen Einzelfällen
Schlüsse über alle Flüchtlinge zu ziehen. Man könne nicht davon ausgehen, dass die
Mehrheit der Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, einfach nur in Ruhe
und Frieden ihr Leben leben wollen.
Text: adg
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